Im Jahr 2021 begab ich mich auf den Jakobsweg. Mein erster Tag als Pilgerin verlief anders als erwartet. Mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken kämpfte ich mit der Hitze, Krämpfen und der scheinbar endlosen Strecke. Letztendlich nahm ich ein Taxi für die letzten Kilometer. Dieser Moment ließ mich zweifeln: Habe ich zu schnell aufgegeben? Gibt es Situationen im „normalen“ Leben, in denen es akzeptabel ist, den einfachen Weg zu wählen? In unserer leistungsorientierten Gesellschaft haben wir oft verlernt, auf uns selbst zu hören. Doch die Freiheit, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für uns selbst zu übernehmen, ist unbezahlbar.

Ein holpriger Start

Es ist bereits eine Weile her, seit ich mich auf den Jakobsweg begeben habe. Mein erster Tag damals begann um 9 Uhr morgens. Ich hatte eine Strecke von knapp 20 km gewählt und wollte frühzeitig losgehen.

Das Packen eines Rucksacks erwies sich als ziemliche Herausforderung. Es dauerte einige Zeit, bis ich alle kleinen Gegenstände ordentlich verstaut und den Rucksack auf meinen Schultern tragen konnte, ohne dass er mich zu Boden zog.

Endlich war es um 10:30 Uhr so weit: Ich machte meine ersten Schritte als Pilgerin, auch wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich so fühlte.

Wie fühlte ich mich also? Offen gestanden, gar nicht besonders. Ich ging einfach entlang des Meeres mit ein paar extra Kilos auf meinem Rücken.

Der erste Tag war kein Höhepunkt. Mir war ständig heiß, meine Schulter verkrampfte sich alle 30 Minuten, und ich musste stehen bleiben und den Rucksack absetzen. Wenn ich in diesem Schneckentempo weitermarschierte, würde ich Santiago in zwei Monaten noch nicht erreichen.

Unsicherheit über den Weg

Um 16:30 Uhr hatte ich immer noch 7,5 km vor mir, obwohl ich bereits über 20 km gegangen war. Entweder waren die Informationen in Reiseführern und Apps alle falsch oder ich hatte einen riesigen Umweg gemacht.

Auf jeden Fall war ich völlig erschöpft. Ich war komplett verschwitzt und meine Schulter schmerzte. Ich war ständig damit beschäftigt, meinen Körper zu beobachten. Gab es irgendwo eine Blase? War das ein Schmerz, dem ich Beachtung schenken sollte? Überanstrengte ich mich?

Ich hatte genug. Zumindest für heute. Aber vielleicht auch für immer?! Gehen war anstrengend, und um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung, warum ich mich auf den Jakobsweg begeben hatte.

Mit den letzten Reserven (gut, das ist wahrscheinlich etwas übertrieben, aber es fühlte sich so an) fand ich einen kleinen Supermarkt und kaufte mir eine Flasche Wasser. Dann entschied ich sehr spontan, für die letzten 7 km ein Taxi zu nehmen. Es brachte mich zu dem vorab gebuchten Hotel, wo ich eine heiße Dusche genoss, ein kühles Bier trank und in einem nahegelegenen Restaurant ein duftendes Reisgericht zu mir nahm.

Zweifel und die Suche nach Anerkennung

Obwohl der Abschluss des Tages herrlich war, beschäftigte mich seit dem Moment, als ich ins Taxi stieg, ein Gedanke: Habe ich zu früh aufgegeben? Hätte ich die Strecke bis zum Ende durchgehen sollen? Gebe ich generell zu schnell auf? Wähle ich immer den einfachen Weg, wenn es ein wenig schwieriger wird?

Aber wem hätte ich überhaupt etwas beweisen sollen? Hätte ich mich besser gefühlt, wenn ich alles zu Fuß zurückgelegt hätte? War ich eine Schummlerin, weil ich mich ein paar Kilometer habe fahren lassen?

An diesem ersten Abend war ich hin- und hergerissen zwischen einem schlechten Gewissen (ich bin keine richtige Pilgerin, wenn ich ein Taxi nehme), der Angst, nichts zu erreichen, wenn ich immer so schnell aufgebe, und der Erleichterung, die letzten 7 km nicht mehr gehen zu müssen.

Obwohl meine Entscheidung sich richtig anfühlte, war eines klar: Ich war weit davon entfernt, klare und eindeutige Entscheidungen zu treffen, ohne dass zweifelnde und abwertende Gedanken auftauchten.

Das Verlernen, auf sich selbst zu hören

Wie entscheiden wir im „normalen“ Leben, wie viel Anstrengung für uns akzeptabel ist und wann es angemessen ist, den einfachen Weg zu wählen? Wann ist es in Ordnung und wann nicht?

Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft. Man ermutigt uns, über unsere Grenzen zu gehen und uns anzustrengen, sonst würden wir nichts erreichen.

Aber haben wir in all dem Druck und Stress, den wir von außen aufnehmen, verlernt, auf uns selbst zu hören?

  • Was ist das Richtige und Wichtige für dich?
  • Was sagt dein Körper?
  • Was sagt dein Innerstes?

Ständig sagt uns jemand, was wir tun sollen und was wir lassen sollen. Im Leben heißt es: Du musst so viel verdienen, diese Figur haben, das essen, jenes Auto haben, so viele Kinder bekommen. Im Geschäftlichen: diesen Umsatz erzielen, so viele Follower haben, diesen Plan, diese Strategie umsetzen.

Wir werden mit guten Ratschlägen und Tricks überflutet, wie wir es endlich schaffen können, so zu sein, wie uns laute Werbespots und Marketing-Gurus vorgaukeln.

Aber ist das wirklich das, was wir wollen? Ist es das, was uns zufrieden und erfüllt macht?

Wann haben wir aufgehört, auf uns selbst zu hören?

Vielleicht schon in unserer Kindheit, als Erwachsene uns sagten, dass es „nicht so schlimm sei“, obwohl es sich für uns sehr schlimm anfühlte. Als Jungen gesagt wurde, dass wir nicht weinen sollen wie Mädchen, obwohl es uns so zum Weinen brachte. Oder als Mädchen gesagt wurde, dass wir lieb und nett sein sollen, anstatt für unser Recht einzutreten?

Die Bedeutung der Selbstwahrnehmung

In den letzten Jahren habe ich mühsam (wieder)gelernt, auf mich selbst zu hören. Ich war so überladen mit „du sollst“ und „du musst“, dass ich vergessen hatte, was ich eigentlich will. Das zeigte sich darin, dass ich viele meiner Entscheidungen in Frage stellte und ständig hin- und hergerissen war.

Auf uns selbst zu hören bedeutet nicht egoistisch zu sein. Wir haben Angst davor, dass andere sagen könnten: „Du tust immer nur das, was du willst.“ Aber egoistisch werden wir erst, wenn wir uns zu sehr nach außen richten und plötzlich ohne Rücksicht auf Verluste unseren eigenen Kopf durchsetzen wollen.

Meiner Erfahrung nach werden wir empathischer und feinfühliger, wenn wir auf uns selbst hören. Indem wir uns selbst im Blick behalten, berücksichtigen wir gleichzeitig das Wohl anderer. Auf uns selbst zu hören, macht uns zu besseren Menschen.

Die Reise zu uns selbst

  • Du darfst dich schlecht fühlen, wenn es dir schlecht geht.
  • Du darfst dich freuen, wenn du etwas Großartiges erlebt oder geleistet hast.
  • Du darfst stolz auf dich sein, dich ängstigen, wütend werden und laut lachen, wenn dir danach ist.
  • Du darfst deinen Weg in deinem eigenen Tempo gehen.
  • Du darfst aufgeben, wenn es sich für dich richtig anfühlt, oder noch eine Extra-Etappe einlegen, wenn du noch Kraft und Ausdauer hast.

Es gibt niemanden da draußen, der weiß, wie es in dir aussieht, was du denkst und fühlst. Niemand kennt deine Erfahrungen und Erlebnisse. Deshalb kann auch niemand besser als du selbst wissen, was du tun oder lassen solltest.

Du kannst jederzeit die Fäden durchschneiden und selbst Verantwortung für dich übernehmen – für deine Entscheidungen, deine Handlungen, aber auch für deine Gefühle und Gedanken.

Es gibt zwar niemanden mehr, dem du die Schuld geben kannst, wenn die Dinge nicht so laufen, wie du es möchtest …

… dafür erhältst du das unbezahlbare Gefühl, selbstbestimmt und frei durchs Leben zu gehen.

Und dieses Gefühl ist unbezahlbar.

Fazit:

Es ist wichtig, wieder auf uns selbst zu hören und uns von äußeren Erwartungen und Meinungen zu lösen. Auf uns selbst zu hören bedeutet nicht, egoistisch zu sein, sondern macht uns empathischer und feinfühliger. Wir dürfen uns erlauben, unsere Gefühle anzunehmen und unseren eigenen Weg im eigenen Tempo zu gehen. Es gibt niemanden, der besser weiß als wir selbst, was für uns richtig ist. Indem wir auf uns selbst hören und Verantwortung für unsere Entscheidungen und Handlungen übernehmen, können wir ein unbezahlbares Gefühl von Selbstbestimmung und Freiheit gewinnen.

Alles Liebe

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Wir freuen uns auf dich!

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4 Comments

  1. Karola 20. November 2022 at 12:36 - Reply

    Das war sehr schön und hilfreich für mich. Vielen Dank 🙏

  2. Gabriele Brandhuber 1. Dezember 2022 at 12:07 - Reply

    Sehr schön, liebe Silvia. Ich zitiere immer noch dein Beispiel vom Baum und seinem Schatten, das du vor ein paar Jahren beim Inspi-Camp gebracht hast. Das geht für mich in dieselbe Richtung. Der Baum weiß schon, was er tut. Wann er im Frühling Blätter bekommen soll, wie groß die Früchte welcher Sorte werden sollen, wann er die Blätter wieder abwirft und Ruhe braucht. Aber der Schatten quatscht immer dazwischen: „Diese Früchte sind doch viel zu klein! Du solltest lieber Äpfel statt Zwetschken produzieren!“ Seitdem muss ich immer an deinen Baum denken, wenn der Gedanke auftaucht: „Aber du kannst doch nicht… xy“. Oh doch, ich kann. Danke für diesen Anstups, immer wieder. Liebe Grüße, Gabi

    • Silvia Chytil, M.Sc. 3. Dezember 2022 at 9:28 - Reply

      Liebe Gabi,
      danke für dein Feedback 🧡.

      Oh doch, du kannst – wie wunderbar 🥳. Ja, wenn wir einmal das Plappermaul in uns erkennen, dann geht so viel mehr.

      Freue mich riesig für dich.
      Alles Liebe
      Silvia

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