Intuitives Business, Silvia Chytil

Hast du manchmal das Gefühl, dein Verstand tut, was er möchte? Wirbelt herum, lässt sich kaum einfangen und geht seinen eigenen Weg, ganz gleich, ob du das so möchtest oder nicht?

Dann hast du ihn vielleicht falsch erzogen.

Unser Verstand wird oft wie ein rohes Ei behandelt und mit Samthandschuhen angegriffen. Lieb und nett zu ihm sein, nur nicht zu hart angreifen und irgendwas tun, was ihm nicht passt, sonst läuft er Amok. Ihn immer bei Laune halten und beruhigen, damit er sich nicht wie ein Kleinkind tobend auf den Boden wirft.

Nur solange wir nicht verstehen, wie der Verstand funktioniert, wir ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen und uns nach seinen Launen richten, solange tanzt er uns auf der Nase herum und beherrscht unser Leben.

Aber ein Verstand braucht Erziehung, Zügel und auch ein klares Stopp-Zeichen von uns, wenn er zu weit geht.

Deine Aufmerksamkeit ist das wichtigste

Heute ist der Verstand mein bester Freund. Das war nicht immer so.

Die ersten drei Jahrzehnte meines Lebens verehrte ich ihn. Ich war beeindruckt von seiner Leistung, war voller Stolz ob seiner analytischen Fähigkeiten und der Begabung stundenlang über ein und dasselbe Thema nachzudenken.

Dann kam eine Zeit, in der ich ihn verteufelte. Nämlich als ich erkannte, wie viel Leid er mir in meinem Leben zugefügt hatte. Den Stress und Druck, den er auf mich ausübte und die Zweifel, mit denen er mich überhäufte. Mich ständig in dem Glauben ließ, ich wäre nicht gut genug, müsste besser oder anders werden. Und ganz gleich, was ich tat, fast nie fand er lobende Worte für mich.

Aber ein Verstand ist weder ein Tyrann noch ein Superheld. Er ist eher wie ein kleines Kind, das an deinem Rockzipfel hängt und nach deiner Aufmerksamkeit giert. „Mama, schau hier“, „Papa komm hier her“, „Ich will das haben – und zwar jetzt gleich und sofort“.

Und wenn es nicht bekommt, was es sich wünscht, einen ziemlichen Aufstand betreiben kann. Am liebsten an einem Ort, an dem viele andere Menschen sind – auf der Straße oder in einem Supermarkt vor der Kasse (wie peinlich!).

Genauso verhält sich unser Verstand. Wenn es ihm nicht gelingt, unsere Aufmerksamkeit zu erlangen, dann fährt er scharfe Geschütze auf. Die Geschichten, die er uns erzählt, werden immer dramatischer und spektakulärer. Er schreit und tobt, lockt und umwirbt, flucht, tritt und beißt. Bis wir ihm endlich unsere ganze Aufmerksamkeit schenken oder erschöpft und ausgebrannt umfallen.

Ein Verstand tut, was ein Verstand tut

Die wichtigste Aufgabe unseres Verstandes ist, uns zu beschützen. Das mag nicht immer augenscheinlich sein, aber doch ist es so.

Allerdings, auch wenn seine Motive äußerst lobenswert sind, heißt das noch lange nicht, dass seine Versuche auch angebracht sind.

Unser Hund Akiro war von klein auf ein begeisterter Schwimmer. Aber nur allein.

Sobald ich nämlich auch ins Wasser ging und schwimmen wollte, überfiel ihn der unwiderstehliche Drang, mich retten zu wollen.

Falls dir das schon mal passiert ist, dann weißt du wie unangenehm das ist. In seinen Jugendjahren hatte er gut 15 Kilo. Wenn er also mit seiner Pfote auf meine Schulter tapste und mich „retten“ wollte, passierte meist das Gegenteil. Ich ging unter, schluckte ungewollt Wasser und bekam das Gefühl des Ertrinkens.

Sehr ähnlich fühlt es sich an, wenn uns unser Verstand „retten“ möchte. Vor dem bösen Publikum. Oder der Blamage, der du dich ausgibst, wenn du dich sichtbar machst. Oder der Kränkung, die du erfahren könntest, wenn keiner dein neues Produkt oder neue Dienstleistung kauft.

Wenn unser Verstand mal in Fahrt kommt, dann kann sich das äußerst unangenehm anfühlen. Er reißt und zerrt an dir, schickt Zweifel, Ängste und Sorgen, reißt dich mitten in der Nacht aus dem Schlaf. Er schießt deinen Blutdruck in die Höhe, schickt dir ein flaues Gefühl im Magen, lässt dich zittrig werden und aktiviert damit den Flucht- oder Angriffs-Modus.

Und das alles nur, damit du dich mit ihm beschäftigst.

Nur weil er schreit, besteht noch lange keine Gefahr

Interpretieren wir jetzt sein Gezeter irrtümlich als Gefahr, dann werden wir natürlich darauf reagieren und uns aus der “Gefahren-Zone” bewegen.

Aber so, wie beim Schwimmen keine tatsächliche Gefahr bestand, unser Hund das aber glaubte, herrscht in den seltensten Fällen, in denen dein Verstand in Panik gerät, tatsächliche Gefahr.

Nein, du fällst nicht tot um, wenn du ein Video drehen musst. Nein, es fängt nicht der ganze Saal zu lachen an, wenn du eine Bühne betrittst. Nein, du wirst nicht im Alter unter der Brücke landen, wenn du nicht jetzt sofort den Durchbruch schaffst und über Nacht berühmt und reich wirst.

Das ist das, was der Verstand tut. Er erzählt Geschichten, je bunter und dramatischer, umso mehr fühlt er sich in seinem Element.

Aber nur, weil es sich unangenehm anfühlt, ist es noch lange nicht die Wahrheit.

Du kannst ihn umerziehen

Als mich unser Hund das erste Mal „retten“ wollte, war ich erschrocken und erstaunt. Er ist unser erster Hund, ich kannte diesen Reflex nicht und wusste nicht, was er mir damit sagen wollte.

Erst als ich mich näher damit befasste und lernte, dass manche Hunde zum Rettungsschwimmer geboren sind und auch dann ihre Besitzer retten wollen, wenn sie gar nicht in Gefahr sind, setzte ein Umdenken ein.

Und ein Umlernen. Denn natürlich hätte ich jetzt auf den Badespaß verzichten können, nur damit Akiro mich nicht jedes Mal unter Wasser setzt.

Aber das wollte ich nicht, also musste er lernen, dass es ok ist, wenn ich schwimme. Nun, das hat eine Weile gedauert, aber letztendlich hat er verstanden, dass ich nicht in Gefahr bin, wenn ich im Wasser bin. Meistens funktioniert das ganz gut – ok, nicht immer, aber immer öfter 😀.

Auch unserem Verstand können wir lernen, dass manche Unarten, die er sich im Laufe der Zeit angelernt hat, nicht mehr adäquat oder sogar absolut unerwünscht sind.

Das funktioniert nicht gleich, das kann ein wenig Übung erfordern. Aber so wie ein Welpe nicht von Anfang an „Sitz“ macht und dort bleibt, braucht der Verstand etwas Zeit, um eine neue Gewohnheit zu erlernen.

Das kannst du tun, indem du ihm die Aufmerksamkeit entziehst oder ihn immer wieder zurückholst, wenn er zu sehr in einer Fantasiewelt abdriftet. Du kannst ihn auch mit Aufgaben beschäftigen, die ihn von seinem fiktiven Drama ablenkt.

Nicht deine höchste Instanz

So wie du dich nicht von einem kleinen Kind, einem ungehorsamen Hund oder irgendjemand anderem durch die Gegend scheuchen lassen möchtest, brauchst du dir schlechtes Benehmen auch von deinem Verstand nicht gefallen lassen.

Dein Verstand ist mehr dein persönlicher Assistent, den du mit Aufgaben betreuen kannst, für die er geschaffen ist. Er kümmert sich um Details, ist wunderbar für analytische Denkleistungen einsetzbar und kümmert sich perfekt um die Umsetzung deiner Ideen. Dafür ist er geschaffen und macht seine Arbeit wirklich gut. Und wenn tatsächlich ein Problem auftauchen sollte, meldet er sich bei dir.

Doch du bist nicht der Verstand und er ist nicht deine höchste Instanz.

Übernimm wieder die Kontrolle. Dein Nerven-Kostüm wird es dir danken.

Alles Liebe